Newsletter/Video: So entstand die Collage „Houston, we have a problem“.

Simone Wieners konzeptkünstlerische Arbeit über den unausgewogenen Prozentsatz an Männern und Frauen in der Raumfahrt.

Von Februar 2020 bis Mai 2021 arbeitete Simone am zentralen Werk ihrer konzeptuellen Ausstellung „Houston, we have a problem“ über die Rolle der Frau in der Raumfahrt. Die Collage misst 400 × 200 cm. Das hier vorgestellte Video zeigt die letzten drei Monate des Arbeitsprozesses, also die Endfertigung im Zeitraffer. Die Konzeption, aber auch die Arbeit an dieser Collage startete allerdings deutlich früher.

Oft sieht man als Außenstehender nicht, welcher Arbeitsschritte es bedarf. Das wollten wir mit dem Video deutlich machen.
 
(Von Februar 2020 bis Mai 2021 arbeitete Simone am zentralen Werk ihrer Ausstellung über die Rolle der Frau in der Raumfahrt. Die Collage misst 400 × 200 cm. Das Video zeigt die letzten drei Monate des Arbeitsprozesses, also die Endfertigung im Zeitraffer.)
 
Doch in welchem Kontext ist das Bild entstanden? Zuerst gab es die Idee einer Konzeptausstellung über das Geschlechterungleichgewicht in der Raumfahrt. Dazu schuf Simone einige Werke, doch durch die Corona-Pandemie war an eine Ausstellung nicht zu denken.

Weitere Arbeiten entstanden, unter ihnen im Lockdown 2020 mehrere Keramikskulpturen, die gewissermaßen „archaische“ Astronautinnen im Stil der Venus von Willendorf darstellen.

(Las astronautas de Willendorf | The astronauts of Willendorf | Die Astronautinnen von Willendorf | Tonskulpturen | 49 × 18 cm | 60 × 18 cm | 58 × 28 cm)

Das zentrale Werk, die 4 x 2 m messende Collage „Houston, we have a problem“, die der späteren Ausstellung auch den Namen gab, war das Exponat, das als (vorläufig) letztes vollendet wurde.

Im Sommer 2021 konnte erstmals an eine Ausstellung gedacht werden, die wir dann an vier Tagen an verschiedenen Wochenenden und aufgeteilt in kleinen Besuchergruppen mit Führungen Corona-sicher abhielten.

Die „befraute“ Raumfahrt

Ziel der Collage war es, Astronautinnen vom Beginn der damals so gut wie nur „bemannten“ (und nicht „befrauten“) Raumfahrt bis zur Gegenwart zu zeigen. Dazu fertigte Simone einen Entwurf des Bildes an, der die Frauen wirklichkeitsnah wiedergeben sollte. Allerdings ist die malerische Reproduktion anhand von Fotos keine Wunschkategorie von Simones Schaffen. Deshalb fiel bald die Entscheidung, bestehende Skizzen und Studien von Frauen als Collage zu verarbeiten.

Damit erfüllte die Arbeit auch eine weitere Forderung von Simone. Denn eine zusätzliche Überlegung war, nicht nur beispielhaft das Ungleichgewicht in der gesellschaftlichen Behandlung der Geschlechter anhand der Raumfahrt zu zeigen, sondern zweitens auch folgende Message: Wir sind alle Astronautinnen und Astronauten („Tod@s somos astronautas“). Die Erde ist unser Raumschiff. Auf dem fliegen wir durch das Universum und durch die Zeiten. Und keine Astronautin und kein Astronaut käme auf die Idee – Stichwort Klimakrise –, sein Raumschiff fahrlässig zu zerstören.

(Die Skizze für die Komposition der Collage | 59 × 42 cm)

 Es war also sinnvoll, die Abbildungen (im doppelten Wortsinne) universell zu halten. Das machte den Weg frei zur Verwendung von echten Modellskizzen, die in Live-Sessions entstanden waren. Von Frauen, die keine Astronautinnen im engen, wohl aber im oben erklärten weiten Sinn sind.

Der Kern der Collage ist jedoch der plakative Hinweis auf den Missstand und das Problem, dass bisher lediglich ein Zehntel der Astronauten weiblich war. Ausgedrückt mit der berühmten und prägnanten Formel: „Houston, we have a problem“. Dem Funkspruch, der in dieser Fassung durch den Spielfilm „Apollo 13“ bekannt wurde, wird hier durch die Darstellung des Buchstabens „o“ im Wort „problem“ durch ein Frauenzeichen, eine neue Bedeutung verliehen.

Spitze als ironisches feministisches Element 

Im Video sieht man die Fertigung der Collage. Jedes bildnerische Werk besteht nicht nur aus dessen sichtbarer Oberfläche, sondern auch aus dem Unterbau, sei es nun eine Leinwand, die zuerst auf einen Rahmen aufgezogen und vorbehandelt werden muss, oder um einen Aufbau wie bei dieser Collage.
Letzterer besteht hier aus vier an den Rändern weiß gestrichenen Hartfaserplatten im Format von je 100 × 200 cm, die mit je vier Leisten aus Fichtenholz versteift wurden. Die Platten sind nicht miteinander verbunden, sondern nur Stoß an Stoß aufgehängt.

Auf jeder Platte befinden sich drei weiße Malkartons im Format 100 × 66,6 cm, die mit Kleister und teilweise mit Metallclips fixiert sind. Erst darauf befindet sich die Collage, deren Elemente über die Grenzen der Kartons und Platten gehen, aber an den Plattenenden jeweils durchtrennt sind.

Die Collage selbst besteht u. A. aus aufgemalten Elementen (hauptsächlich verschiedenfarbigen Ovalen), aufgeklebten Ausschnitten von Modellstudien und aufklappbaren „Helmen“ aus weißem und transparentem Papier.

Der zentrale Schriftzug „Houston, we have a problem“ ist aus mit Sprühlack (Acryl) eingefärbter Spitze gefertigt. Die Spitze, wie wir sie von Damenbekleidung und Damenunterwäsche kennen, wird hier mit einem Schuss Ironie als feministisches Element verwendet. Bei jeder Astronautin findet sich eine Beschriftung mit Namen und Herkunftsland, insgesamt sind es hier 29 aus neun Ländern – stellvertretend für alle 67 Raumfahrerinnen bis heute.

Seit der ersten Ausstellung kamen übrigens drei Astronautinnen – Jessica Meir, Christina Koch und Jessica Watkins – dazu, was sich nicht nur in dieser Collage, sondern auch in einem weiteren Werk der Ausstellung widerspiegelt: „Baile de las astronautas: Never-ending update of names of female astronauts“. Das Bild wird und soll auch in Zukunft ständig um die Namen neuer Astronautinnen ergänzt werden. Aber dazu ein anderes Mal mehr!
 
(Baile de las astronautas: Never-ending update of names of female astronauts | Buntstift und Acryl auf Papier | 240 × 80 cm)

 „HOUSTON, WE HAVE A PROBLEM.“

Zur Ausstellung „Houston, we have a problem.“ ist schon einiges auf Simones Blog erschienen. Alle bisherigen Infos über die Konzeptarbeit zur Rolle der Frau in der Raumfahrt kann man mit einem Klick auf diesen Link abrufen.

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